Wülfrath: Eine Brache als Chance

Die kleinste Stadt im Kreis Mettmann braucht vor allem Gewerbeflächen

Text: Hans-Joachim Kling, Illustration: Carsten Tiemessen

Wülfrath – die Kalkstadt. Schon der Beiname verrät, wo Vor- und Nachteile der kleinsten Stadt des Kreises liegen. Die „Kalkstadt“ beherbergt Europas größtes Kalkabbaugebiet. „Kalk Wülfrath“ – wohinter sich heute die Firma Lhoist verbirgt – ist nach wie vor wichtiger Arbeitgeber, Steuerzahler und Sponsor der Stadt. Der Kalkabbau prägt aber selbstverständlich durch seine aktiven wie stillgelegten Steinbrüche auch das Landschaftsbild.
Seit Jahrzehnten versuchen Politik und Verwaltung, diese vorgegebene Struktur durch die Ansiedlung neuer Unternehmen zu erweitern – auch, um bei den Steuereinnahmen breiter aufgestellt zu sein.

Entwicklungen fördern

Die Forderung der Wirtschaft hat die Industrie- und Handelskammer im Vorfeld der Kommunalwahl am 13. September zusammengefasst im „IHK-Positionspapier Wülfrath“. Wichtigstes Anliegen der Unternehmen: „Wir brauchen neue Flächen.“ Das gilt zum einen für bestehende Unternehmen, aber auch für die Ansiedlung neuer Firmen. „Nur so können wir die Wirtschaftskraft unserer Region nachhaltig stärken“, sagt Dr. Philipp Niemann, Geschäftsführer von Lhoist Germany.
Grundsätzlich stehen der Stadt 32 Hektar zur Verfügung, um Gewerbe und Industrie anzusiedeln. Die Wirtschaft fordert von der Politik, diese Fläche mittel- und langfristig für gewerbliche Nutzungen zu aktivieren. Die Unternehmen wünschen sich eine aktive Gewerbeflächenvorratspolitik: Die Stadt Wülfrath soll den Ankauf und die Entwicklung von neuen wie von brachliegenden Flächen vorantreiben.
Zu den künftigen Brachflächen zählt vor allem das Gelände der früheren Ford-Werke, auf dem Nachfolger Knorr-Bremse im Laufe des Jahres 2020 den Betrieb einstellte. Bei allem Bedauern über die Schließung des Unternehmens und den Verlust von Arbeitsplätzen sieht Wirtschaftsförderer Karsten Niemann hier auch großes Potenzial: „Es ist sehr selten, dass in einer Stadt wie Wülfrath ein solch großes Gelände mit 100.000 Quadratmetern zur Entwicklung zur Verfügung steht.“ Niemann kann sich für das Areal auch einen Mix aus produzierendem Gewerbe und Technologiepark vorstellen. Die Stadt will den Grundstückeigentümer bei der Vermarktung „eng begleiten“.

Erreichbarkeit ist das A und O

Einen engeren Kontakt zu Vertretern der Kommune wünschen sich auch die Gewerbetreibenden in Wülfrath. Sie sprechen sich deshalb für die Einrichtung sogenannter – von der IHK organisierter – „Gewerbegebietsstammtische“ aus.
Thema dort dürften auch die Verkehrsanbindungen sein, denn weiterhin warten die Unternehmen in Wülfrath wie im gesamten Niederbergischen Raum auf den immer noch ausstehenden und sich weiter verzögernden Lückenschluss der A44. Damit fehlt weiterhin die direkte schnelle Anbindung an den Raum Düsseldorf und den Flughafen.
Nicht zuletzt deshalb fordert die Wirtschaft eine bessere Erreichbarkeit der Stadt mit anderen Verkehrsmitteln. Dazu müsse zum einen die Taktfrequenz des ÖPNV zum Bahnhof Wülfrath-Aprath erhöht, zum anderen der neue Bahnhof Hahnenfurth/Düssel an die Innenstadt angebunden werden, so der Standpunkt der Wirtschaft..
In der attraktiven Innenstadt Wülfraths sieht die Wirtschaft einen bedeutenden Standortfaktor, auch für die Ansiedlung neuer Fachkräfte. Sie schlägt deshalb vor, in einem Markenfindungsprozess die Stärken der Stadt besser herauszuarbeiten und das Profil insgesamt zu schärfen.

22.000 Einwohner „plus x“

„22 plus“ heißt das Programm, dem sich der Großteil der Wülfrather Politik verschrieben hat. Dahinter verbirgt sich das Konzept, dem demographisch drohenden Verlust von Einwohnern entgegenzutreten. Um nicht unter die Marke von 20.000 Einwohnern zu fallen, ist Wülfrath bestrebt, neuen Wohnraum zu schaffen und neue Einwohner zu gewinnen. Das Ziel lautet daher 22.000 Einwohner „plus x“, um die Kosten für die Infrastruktur auf mehr Steuerzahler/-innen verteilen zu können.
Höhere Einnahmen aus der Einkommensteuer auf der einen Seite und eine breitere Streuung bei der Gewerbesteuer: Das ist die Strategie, mit der Politik und Verwaltung in Wülfrath sich den Herausforderungen der Zukunft stellen wollen. Durch die Corona-Krise und die damit verbundenen Einbrüche bei Unternehmen und Kommune dürfte das allerdings nicht leichter geworden sein.

Was sagen die Bürgermeisterkandidaten zur den Forderungen der Wirtschaft? Antworten gibt es in der IHK-Wahlarena.