Text: Ute Rasch
Ein Dienstagvormittag im August. Heiner Fischer ist gerade im Okidoki-Kinderland in Willich, wo Tochter Hanna (7) eine Portion Ferienglück genießt. Ja, muss der Mann jetzt nicht bei der Arbeit sein? Was er darunter versteht, definiert er seit einiger Zeit konsequent neu. Vatersein sowieso. Denn Heiner Fischer zählt zu einer Männergeneration, die Karriere nicht als wichtigstes Lebensziel nennen, die als Working Dad Beruf und Familie vereinbaren und intensive Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen: aktive Väter. Er war Führungskraft in einem Unternehmen, viel Arbeit, viele Geschäftsreisen. Und hat sich dann entschieden, von diesem vorgezeichneten Berufsweg noch mal abzubiegen, um Soziale Arbeit zu studieren. Nach der Geburt seiner Tochter wollte ihm sein Arbeitgeber (ein Sportverband) allenfalls zwei Monate Elternzeit zubilligen. Und danach in Teilzeit zurückkehren? „Ich stieß auf Ablehnung und habe schließlich gekündigt.“ Als sein Sohn Karl zwei Jahre später geboren wurde, bekam er von seinem neuen Arbeitgeber (einem Krankenhaus) zu hören: „Da stelle ich schon einen Mann ein – und dann will er in Elternzeit!“
Ein „digitales Lagerfeuer“ für Männer
Daraufhin entschied sich Heiner Fischer zu einem radikalen Schritt: Er gründete 2022 „Vaterwelten“ (mit zwei Partnern soll das Unternehmen bald in eine GmbH umgewandelt werden) und bietet der Wirtschaft Vorträge und Workshops zu einer „väterorientierten Personalpolitik“. Denn Unternehmen müssten nicht nur die Frauen nach der Elternzeit zurückholen, sondern auch den Vätern familienfreundliche Arbeitsbedingungen bieten. Schon im eigenen Interesse: „In Zeiten des Fachkräftemangels kann es sich kein Unternehmen mehr leisten, gute Leute zu verlieren.“ Vaterwelten hat noch eine andere, eine ehrenamtliche Seite: ein Forum für Männer. Da können sich Väter beim „digitalen Lagerfeuer“ treffen und über die Herausforderungen des Alltags diskutieren. Ein häufiger Satz: „Ich würde mich gern mehr um meine Kinder kümmern, aber trau mich nicht, zu kündigen.“ Fest steht: Die Bereitschaft vieler Männer wächst, ihren Job aufzugeben, wenn die Bedingungen für sie nicht akzeptabel sind. Das Forschungsinstitut Prognos berichtet in seiner Studie zur Väterfreundlichkeit der Wirtschaft (im Auftrag des Familienministeriums), dass 450.000 Männer für eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie schon mal den Arbeitgeber gewechselt hätten.
Working Dad mit Zeit für den Nachwuchs
Nach einer weiteren Prognos-Studie arbeiten 87 Prozent aller Väter heute in Vollzeit, doch jeder zweite würde seine Stundenzahl gern reduzieren, um mehr Zeit für den Nachwuchs zu haben. Und 45 Prozent aller Elternpaare fänden es ideal, sich die Familienaufgaben partnerschaftlich zu teilen. David Juncke, Experte für Familienpolitik bei Prognos, spricht von einer notwendigen „väterbewussten Unternehmenskultur“, bei der Elternzeit auch für Männer kein vorzeitiges Karriereende bedeutet, sondern als „Perspektivwechsel“ vom Arbeitgeber geschätzt wird. David Juncke ist selbst Vater, der einen Nachmittag in der Woche in seinem Terminkalender für seine beiden Söhne (8 und 11 Jahre alt) geblockt hat. „Aber wichtiger noch ist für mich zeitliche Flexibilität“, sagt er. Ein Wunsch, den laut Prognos-Studie rund 75 Prozent der Väter teilen und der mit ihrer Karriereplanung nicht im Widerspruch stehen muss. Davon ist auch Roman Gaida überzeugt, Bereichsleiter in einem großen Unternehmen im IHK-Bezirk und Autor von „Working Dad“, einem Buch, das genau diesen Spagat beschreibt: erfolgreicher Manager zu sein und gleichzeitig ein Vater, der für seine Kinder da ist – auf Augenhöhe mit seiner Frau, die ein Start-up gegründet hat. Sein Credo: „Es geht nicht unbedingt darum weniger, sondern anders zu arbeiten.“
Kostbare Momente erleben
So ist er nach der Geburt seiner Zwillinge, obwohl er gerade neu in einem Unternehmen war und einen Bereich mit über 170 Mitarbeitern leitete, in Elternzeit gegangen und hat „viele kostbare Momente“ erlebt, wie er in seinem Buch schreibt. Seiner Laufbahn habe diese Entscheidung nicht geschadet, vielmehr habe sie dazu beigetragen, die Unternehmenskultur zu verändern. Denn Väter brauchen Vorbilder (auch ein Fazit der Prognos-Studie), wenn eine Führungskraft in Elternzeit geht, macht das auch den Mitarbeitern im Team Mut, und wenn ein Manager selbstverständlich erzählt, dass sein Kind krank ist, öffnet ein solches Verhalten auch andere. Roman Gaida arbeitet Vollzeit, was trotzdem bedeutet, dass er sich auch unter der Woche um seine Söhne (fünf Jahre alt) kümmert, sie wenn möglich von der Kita abholt und für die Familie kocht (und am späteren Abend noch mal am Laptop sitzt), dass auch er und nicht automatisch seine Frau angerufen wird, wenn eines der Kinder sich bei Spielen verletzt hat und zum Arzt muss. Für ihn gilt: „Vereinbarkeit und Leistungsbereitschaft widersprechen sich nicht.“
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war auch eines der Themen bei Frauenwirtschaftsforum 2023.