„Klimaneutraler Kalk ist möglich“

Thomas Perterer, Ingenieur und seit dem 1. April Geschäftsführer von Lhoist Germany.

Perterer Klimaziele
Thomas Perterer ist Geschäftsführer von Lhoist Germany

Interview: Werner Grosch, Foto: Lhoist
Thomas Perterer hält die Umsetzung der Klimaziele und eine nachhaltige Industrieproduktion in Deutschland für technisch möglich. Er fordert aber einen Wechsel der politischen Perspektive, hin zu weitergehenden Maßnahmen und weniger Bürokratie.

Wie beurteilen Sie die bisherigen politischen Maßnahmen in Deutschland mit Blick auf Energiewende, Klimaziele und -schutz, sowie Nachhaltigkeit?

Dazu möchte ich eine dreigeteilte Antwort geben. Als Bürger sage ich: Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir das 2015 im Pariser Abkommen vereinbarte Ziel, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, nicht erreichen. Dazu reichen die bisher umgesetzten Maßnahmen nicht aus, und das bereitet mir große Sorgen. Die zweite Antwort betrifft die technische Seite, und hier ist ganz klar: Technisch sind die notwendigen Maßnahmen auf jeden Fall umsetzbar. Wir in unserem Unternehmen könnten morgen die entsprechenden Projekte starten. Allerdings gibt es dafür eine entscheidende Voraussetzung, und das gilt für uns wie für alle energieintensiven Branchen: Es muss auch wirtschaftlich sein, und dazu brauchen wir die Sicherheit, dass wir als Industrie, die nicht erneuerbare Rohstoffe abbaut, in Deutschland noch gewünscht und akzeptiert sind. Notwendig ist dafür ein klares politisches Bekenntnis, dass wir auch in 30, 40 Jahren noch Zugriff auf die dringend benötigten Rohstoffe haben – sonst lassen sich die hohen Investitionen, die wir für den Klimaschutz tätigen wollen, niemals refinanzieren.

Ein Bekenntnis, das Sie vermissen?

Die Akzeptanz für Branchen wie die unsere hat jedenfalls nicht zugenommen, und die Diskussion wird zunehmend emotional geführt. Das ist vergleichbar mit der Auseinandersetzung um den Braunkohletagebau im Hambacher Forst. Und die politischen Rahmenbedingungen sind schon heute so, dass es fast unmöglich ist, in Deutschland die Rohstoffe zu sichern, auf die wir als Gesellschaft angewiesen sind.

Und der dritte Teil Ihrer Antwort?

Als Geschäftsführer eines mittelständischen Familienunternehmens muss ich ein schon oft gesungenes Klagelied anstimmen. Aber es stimmt ja auch, nach wie vor: Wir stehen uns mit unserer Bürokratie in Deutschland selbst auf den Füßen. Die Genehmigungsverfahren werden immer komplexer, und selbst relativ einfache Verfahren dauern oft fünf, sechs, sieben Jahre. Das fängt, bezogen auf unsere Branche, schon bei der Erweiterung vorhandener Steinbrüche an. Hinzu kommt, dass es auf Seite der Behörden angesichts der Menge und Komplexität an Genehmigungsverfahren oft schlicht an Personal mangelt.

Ihr Unternehmen hat sich das Ziel auf die Fahnen geschrieben, bis zum Jahr 2045 klimaneutral zu produzieren. Ist dieses Ziel haltbar?

Wir rütteln daran nicht. Aber wir müssen das differenziert betrachten, denn selbst wenn wir alle bisher genutzten Energieträger durch erneuerbare ersetzen, können wir damit unseren gesamten CO2-Ausstoß nur um ein Drittel reduzieren. Der Grund dafür ist, dass die anderen zwei Drittel beim Brennprozess des Kalksteins entstehen, wir nennen das unvermeidbares CO2. Völlig klimaneutral können wir also nur werden, wenn wir das Abgas der Branntkalkproduktion im Prozess abscheiden und einfangen, so dass es nicht in die Atmosphäre gelangt. Dafür gibt es derzeit zwei Technologien, von denen eine bereits gut erprobt ist. Machbar ist also auch das.

Sie setzen derzeit noch überwiegend fossile Brennstoffe ein und Ihre Klimastrategie enthält als Zwischenschritt hin zu den Erneuerbaren die stärkere Nutzung von Gas statt Kohle. Ist das in der gegenwärtigen Situation, in der die Gasversorgung alles andere als gesichert ist, noch haltbar?

Für die nächsten zwei, drei Jahre ist diese Übergangstechnologie sicher obsolet. Wir werden noch länger als geplant auf Kohle setzen müssen. Aber danach wollen wir dann umso schneller die Umstellung auf klimafreundliche Quellen, etwa biogene Brennstoffe, realisieren. Kurzfristig müssen wir uns also anpassen, langfristig bleiben die Ziele bestehen.

Halten Sie die entsprechende Versorgung mit Kohle für gesichert? Es gibt ja offenbar einige logistische Probleme mit der Aktivierung der Reserven.

Die logistischen Herausforderungen aufgrund rekordniedriger Pegelstände am Rhein machen drastisch deutlich, dass Deutschland seinen Infrastrukturausbau sträflich vernachlässigt hat. Hier werden massive Investitionen nötig. Und für ein erneuerbares Energiesystem muss es vor allem deutlich mehr Tempo beim Netzausbau geben, aber auch Pipelines für Wasserstoff oder für den Transport von CO2 müssen mittel und langfristig zur Verfügung stehen. Das werden größere Herausforderungen als die aktuellen Logistikprobleme. Energieintensiv wird die Kalkproduktion bleiben.

Eine klimaneutrale Produktion ist also nur vorstellbar, wenn die Erneuerbaren Energien in Deutschland massiv ausgebaut werden?

Wir und auch alle weiteren Industrien sind auf einen massiven Ausbau der Erneuerbaren angewiesen. Und dafür reichen nicht stets neue Ziele. Es müssen deutlich schneller als bisher deutlich mehr Windräder und Solarparks ans Netz gehen. Dazu müssen Genehmigungsverfahren beschleunigt, entschlackt und vereinfacht werden. Und wir setzen auf ein wiedererstarktes Bewusstsein der Menschen für Versorgungssicherheit, gerade für Rohstoffe. Dann kann es was werden mit klimaneutralem Kalk made in Germany.

Firmenportrait

Lhoist Germany ist die deutsche Tochter der Lhoist Gruppe, einem weltweit führenden Unternehmen für Kalk, Dolomitkalk und andere Mineralien mit Hauptsitz in Belgien. Zu Lhoist Germany gehört seit 1999 die Rheinkalk GmbH mit ihren zwölf Standorten und 1.300 Mitarbeitenden in Deutschland. Der Standort in Wülfrath ist das größte Kalksteinwerk Europas. Das Unternehmen produziert hochwertige Kalkprodukte für vielfältige Einsatzzwecke in der Industrie, der Umwelt und Bauwirtschaft, der Wasserwirtschaft sowie der Land- und Forstwirtschaft.

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