Text: Anke Henrich, Fotos: Hans-Jürgen Bauer
Bürokratie bremst Innovationen aus – tagtäglich. Das erfuhr NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur aus erster Hand von der Mentor GmbH in Erkrath. Aus der Praxis gab es kritische Töne.
„Was können Landespolitiker für Sie als Unternehmer tun?“ Diese Frage stellte die Ministerin genau dem Richtigen. Bei ihrem Unternehmensbesuch der Mentor GmbH &Co., einem Spezialisten für Lichttechnik, holte deren Chef Wido Weyer einmal tief Luft und antwortete. „Wir haben inzwischen mehrere Planstellen eingerichtet, nur um bürokratische Auflagen erfüllen zu können“, berichtet der Geschäftsführer. Noch etwas brachte den Rheinländer in Fahrt: „Wie kann man Fördermöglichkeiten so komplex und zeitaufwändig ausgestalten, dass man ohne einen externen Förderberater kaum die richtigen Optionen findet?“
Solche Hemmnisse stünden einem innovativen Geschäftsmodell quasi täglich im Weg. „Unsere Innovationen ermöglichen unseren Kunden ihrerseits Innovationen. Wir trauen uns in Radien, in die sich kein anderer traut, und wir bieten ständig neuen Branchen Licht-Lösungen an“, so Weyer. An Ideen hat es dem mehr als 100 Jahren alten Unternehmen noch nie gemangelt. „Aber viele Vorgaben aus Brüssel hindern uns heute daran, sie überhaupt oder schnell genug umsetzen zu können“, resümierte Weyer.
Denn auch wenn Mentor inzwischen rund 1.000 Mitarbeitende und Standorte in Polen, Tunesien und China sowie Vertretungen in 40 Ländern hat: Innovationen kommen weiterhin aus Erkrath. Wirtschaftsministerin Neubaur gab ihm recht: „Die Regulatorik der EU erfüllt ihre Ziele nicht.“ Zugleich forderte sie bessere steuerliche Rahmenbedingungen für Unternehmen.
Interdisziplinäres Zusammenarbeiten für neue Ideen
Neubaur nahm sich gut zwei Stunden Zeit für diesen Besuch im Rahmen ihrer dreitägigen Innovationstour durch NRW. Den Austausch mit Mentor hatte die IHK Düsseldorf organisiert. Die Zeit verging schnell, denn dem Entwicklungsteam war es sichtlich eine Freude, Neubaur ins Lichtlabor, zu den Prüfgeräten und durch den Showroom zu führen und die Ministerin stellte ein Fülle von Nachfragen.
Mentor entwickelt LED-basierte Lichtsysteme für Ambiente- und Funktionsleuchten sowie mechanische, elektronische und optoelektronische Bauelemente aus dem HMI-Bereich. Zu finden etwa im Automobil- und Maschinenbau oder der Gebäudetechnik. Für den steten Fluss neuer Ideen arbeiten unterschiedlichste Gewerke interdisziplinär zusammen: Lichtdesigner, Elektronik-Spezialisten, Produktentwickler, Prototypenbauer.
Mentor wurde bereits mehrfach als besonders innovatives Unternehmen ausgezeichnet. Erst 2020 überzeugte Mentor die Jury des TOP 100 Awards des deutschen Mittelstands in den Kategorien „Innovationserfolg“ und „Außenorientierung/Open Innovation“. Auch der „Design Plus Award“ für ein Seitenlichtfasersystem schmückt die Erkrather. „Unsere einzige Chance im Wettbewerb mit unseren viel größeren Konkurrenten liegt darin, innovativer als sie zu sein“, beschrieb Weyer der Ministerin die Rahmenbedingungen, in denen sich der Mittelständler bewegt. „Der billige Jakob wollen und können wir als deutsches Unternehmen nicht sein.“
Reallabore als Lösung
Damit beschrieb Weyer der Ministerin anschaulich das Dilemma der deutschen Unternehmerschaft. Längst nicht alle Verantwortlichen agieren noch so energiegeladen und aktiv wie die Erkrather.
Das zeigt eine bundesweite Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammern DIHK zur Innovationsbereitschaft der Geschäftsführungen. Nur noch ein gutes Drittel der befragten Unternehmer und Unternehmerinnen erklärte wie Weyer, den Bereich Innovationen stärker ausbauen zu wollen. 2020 war das noch die Hälfte. Ein weiteres Drittel gab an, Kapazitäten in Forschung und Entwicklung ins Ausland zu verlagern – gegenüber 20 Prozent im Jahre 2020. Die bundesweiten Zahlen spiegeln sich auch in den Antworten der Betriebe aus NRW wider.
Die Folgen liegen auf der Hand: Diese Unternehmen gefährden ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit im globalen Wettbewerb.
Woran das nachlassende Engagement für Innovationen liegt? Auch das hat die Studie abgefragt. Zwei Gründe schlagen alle anderen: Fachkräftemangel und zu hohe bürokratische Hürden im Innovationsprozess.
Dr. Ulrich Biedendorf, Geschäftsführer Standortpolitik der IHK Düsseldorf, fordert deshalb: „Um den Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen zukunftsfähig zu machen, brauchen wir eine Innovationspolitik, die auf weniger Bürokratie und mehr Flexibilität setzt. Nur so können wir die Innovationskraft unseres Landes voll ausschöpfen und im internationalen Wettbewerb bestehen.“
Gleichzeitig brauche die Wirtschaft mehr Raum, um innovative Ideen zu testen und umzusetzen. Hier böten Reallabore eine große Chance. Sie ermöglichen es, neue Produkte, Verfahren und Dienstleistungen in einem zeitlich begrenzten, gelockerten Regulierungsrahmen zu erproben. Sie beschleunigten damit den Weg von der Idee zur Marktreife.
„Ein „One-Stop-Shop“ für die praktische Umsetzung dieser Reallabore könnte die Vernetzung und den Wissenstransfer erheblich erleichtern“, so Biedendorf.
