Gründen und Gutes tun

Text: Lothar Schmitz, Foto: The Colony, LUUP GmbH
Folgt man dem „DIHK-Report Unternehmensgründung 2024“, so wollen offenbar immer weniger Menschen in Deutschland ein Unternehmen gründen. 2023 ging die Zahl der Informations- und Beratungsgespräche zur Neugründung in den IHKs weiter zurück und erreichte einen Tiefstand in der seit 2002 geführten Zählung.

Trotzdem ist Gründen gerade für viele jüngere Menschen durchaus wieder eine Option. Vor wenigen Wochen legte die Bertelsmann Stiftung die Untersuchung „Gründungsbereitschaft junger Menschen in Deutschland“ vor. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich 40 Prozent der 14- bis 25-Jährigen offenbar vorstellen können, ein Unternehmen zu gründen.

Was zudem auffällt: „In jüngster Zeit nehmen die Gründungsvorhaben zu, bei denen die Gründerinnen und Gründer von dem Wunsch angetrieben werden, Lösungen für die globalen Megatrends anzubieten und damit die Welt ein Stück besser zu machen“, beobachtet Dr. Nikolaus Paffenholz, Geschäftsführer Unternehmensservice der IHK Düsseldorf. Es gehe dabei zum Beispiel um ökologische Aspekte, Gesundheit oder ein anderes gesellschaftliches Miteinander. „Es gibt einen spürbaren Trend zu gemeinwohlorientierten Gründungen“, konstatiert er. Laut aktuellem DIHK-Report ist dieses Motiv bei Frauen besonders ausgeprägt. Ein gutes Drittel der Gründerinnen möchte vor allem einen Beitrag zum Gemeinwohl im Sinne von Social Entrepreneurship leisten.

Die NRW-Landesregierung nimmt solche Gründungen verstärkt in den Fokus; so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart. Nun wird es konkret. „Diejenigen, die sich für ein besseres Miteinander, die Umwelt, benachteiligte Gruppen oder gegen strukturelle Ungerechtigkeiten einsetzen und dabei unternehmerisch neue Wege beschreiten, bedürfen unserer besonderen Unterstützung“, befand NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur im Juli.

Dafür ließ das Ministerium in den vergangenen Monaten strategische Handlungsempfehlungen entwickeln, um die Potenziale gemeinwohlorientierter Gründungen heben zu können. Zehn konkrete Maßnahmen auf vier Handlungsfeldern sind dabei herausgekommen. Sie reichen von der Einrichtung eines Social Entrepreneurship Hubs über ein neues Förderprogramm bis zur Anpassung von Vergaberichtlinien. Das Land werde nun die zeitnahe Umsetzung der Maßnahmen prüfen, versprach die Ministerin im Sommer.

Teil des Entwicklungsprozesses waren zwei Workshops mit wichtigen Akteuren der NRW-Gründungsszene. Für die IHKs in NRW brachte Paffenholz seine Expertise ein. Er begrüßt das Vorhaben des Landes, soziale Gründungen fördern zu wollen. „Das gleicht ein Stück weit die Hürden aus, die im Markt bestehen“, sagt er. Häufig seien solche Geschäftsmodelle schwieriger zu erklären und nicht das wirtschaftliche Wachstum, sondern der soziale Impact stehe im Vordergrund. Das führe dann mitunter zu Problemen bei der Finanzierung. Oder bei der Etablierung im Markt.

Davon kann zum Beispiel Max Salamon ein Lied singen. Er gründete 2020 in Düsseldorf The Colony – New Urban Living – Holding GmbH. The Colony versteht sich als Projekt- und Konzeptentwickler, aber auch Betreiber und Community-Manager. Salamon entwickelt Konzepte, wie sich Baulücken, Parkhausdächer, Industriebrachen und andere bislang unbeachtete Flächen in einer Stadt sinnvoll nutzen lassen. Gemeint ist dabei aber nicht Gewinnmaximierung, sondern – Stichwort: Gemeinwohlorientierung – die Belebung eines Areals, die Schaffung eines sozialen Netzwerks, ein Zusammenführen von Arbeiten, Wohnen und Leben zum Nutze aller Menschen an dem betreffenden Standort.

„Es ist schwierig, im Immobiliensektor Fuß zu fassen, der oft sehr stark von Renditedenken geprägt ist“, sagt Salamon. Er muss viel Überzeugungsarbeit leisten, denn der „Gewinn“, den Immobilienbesitzende erzielen, wenn sie ein Konzept von The Colony verwirklichen, ist eher langfristiger Natur. „Sie tragen zu einer Aufwertung ihres Viertels bei, zu einer lebenswerten Stadt“, erklärt Salamon. Das wirke sich letztlich auch wirtschaftlich aus, aber eben oft nicht auf den ersten Blick.

„Sozialen Nutzen kann jede Gründerin und jeder Gründer stiften.“

Dr. Nikolaus Paffenholz, Geschäftsführer Unternehmensservice bei der IHK Düsseldorf

Auch Christian Löhr gründete in Düsseldorf, ebenfalls 2020. Er setzte sich aus persönlichen, gesundheitlichen Gründen intensiv mit Kaffeealternativen auseinander, recherchierte viel und stieß auf die Lupine. So entstand die Geschäftsidee, mit Lupinenkaffee aus Deutschland eine gesunde und regionale Kaffeealternative auf den Markt zu bringen. Weiterer erwünschter Effekt: ein Beitrag zu weniger Ausbeutung von Natur und Arbeitskräften in den Kaffee-Anbauländern. Mit seiner LUUP GmbH bezieht er Rohlupinen von Bio-Landwirten in Deutschland, lässt diese rösten und vermahlen und vertreibt den Lupinenkaffee insbesondere über einen eigenen Onlineshop.

Beide Start-ups – und viele weitere ähnliche Gründungen – haben zweierlei gemeinsam: Sie verstehen sich als Impact-Gründungen, wollen also gesellschaftlich etwas bewirken. Sind aber nicht offiziell gemeinnützig und auch keine Genossenschaft, sondern haben eine „herkömmliche“ Rechtsform, die GmbH.

Gründen mit der IHK
Die IHK Düsseldorf berät und begleitet Gründungsinteressierte umfassend.
Informationen und Kontaktoptionen:
https://www.ihk.de/duesseldorf/existenzgruendung
Wer sich für die Gründung einer Genossenschaft interessiert, findet Unterstützung beim Genoverband e. V.:
https://www.genoverband.de/

Der Wunsch nach einer Rechtsform für Non-Profit-Organisationen ist nämlich eine weitere Hürde beim Gründen. „Gemeinnützigkeit bringt steuerliche Vorteile mit sich und kann den Wettbewerb verzerren, deshalb schaut der Staat genau hin und schreibt vor, was alles für diesen Status erfüllt sein muss“, erklärt Paffenholz. „Diese Einschränkungen scheuen viele Gründende.“ Das gleiche gelte für die Genossenschaft, eine Rechtsform, die viele mit „sozial“ und „Impact“ verbänden. „Diese Rechtsform ist kompliziert und erfordert deutlich mehr Aufwand“, sagt der IHK-Experte.

Wer eine solche Gründungsidee habe, solle sich von der Rechtsform-Frage aber nicht abschrecken lassen. „Man kann den leichteren Weg zu einer UG oder GmbH nehmen oder als Einzelunternehmen beginnen und sich in seinem Geschäftsalltag trotzdem am Gemeinwohl oder an Nachhaltigkeitsstandards orientieren“, stellt Paffenholz klar. „Sozialen Nutzen kann jede Gründerin und jeder Gründer stiften.“


Beiträge aus Unternehmen im IHK-Onlinemagazin.

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