Text: Gesa van der Meyden, Fotos: IHK Düsseldorf
Maya Bongard (22) bekam einen Ausbildungsplatz bei der Deutschen Oper am Rhein und setzte sich damit gegen dutzende andere Bewerber durch. Dabei leidet die junge Frau an der Schlafkrankheit Narkolepsie. Nahaufnahme einer besonderen Arbeitsbeziehung.
Es ist meistens Mittagszeit, wenn Maya Bongard merkt, dass es nicht mehr geht. Die 22-Jährige macht seit September vergangenen Jahres bei der Deutschen Oper am Rhein mit Hauptsitz in Düsseldorf eine Ausbildung für Bühnenmalerei/Bühnenplastik mit Fachbereich Plastik – und leidet unter einer Krankheit, die sie zu regelmäßigen Pausen zwingt. „Ich habe Narkolepsie, das heißt, ich bin dauernd müde“, sagt die junge Frau aus Meerbusch. Als sie 13 Jahre alt war, wurde die im Volksmund auch „Schlafkrankheit“ genannte neurologische Störung bei ihr diagnostiziert. Sie ist nicht heilbar, wird im Verlauf der Jahre tendenziell schlimmer und erzeugt bei den Betroffenen häufig einen hohen Leidensdruck. Denn ein normaler Alltag ist kaum möglich.
„Maya hat Mumm in den Knochen“
André Lutz Overrath, IHK Düsseldorf
Weil Maya Bongard nicht mit Bus oder Bahn fahren kann, da sie darin einschlafen würde, bringt sie ihre Mutter mit dem Auto zur Arbeit. Dort beginnt sie um 7.30 Uhr und fertigt Bühnenbilder und Requisiten, formt sie, bemalt sie und erstellt neue Entwürfe. Der Ausbildungsplatz in der riesigen Produktionshalle in Duisburg war heiß begehrt, als er im vergangenen Frühjahr ausgeschrieben wurde, rund 60 Menschen haben sich auf die zwei Stellen beworben. Doch Abteilungsleiterin Susanne Beck hat früh gemerkt, dass Maya besonders ist. „Sie wirkte so offen und begeisterungsfähig. Zudem hat uns ihre Probearbeit sehr gut gefallen. Aus ihrer Krankheit hat sie von Beginn an kein Geheimnis gemacht.“
Weil Maya Bongard fachlich gut war und menschlich perfekt ins Team passte, überlegten sie, Susanne Beck und der Ausbildungsleiter Dennis Bernau gemeinsam, wie eine Ausbildung mit Narkolepsie funktionieren könnte. „Wir wollten Maya, deshalb haben wir sie gefragt, was sie braucht. Weil ein ganzer Arbeitstag zu anstrengend wäre, arbeitet sie in Teilzeit, also bis 14.30 Uhr statt bis 16.30 Uhr. Zudem haben wir ihr eine Schlafcouch bereitgestellt, auf der sie sich mittags ausruhen kann“, erzählt Beck. Dass der Vorstellungsbetrieb der Oper wegen Corona ruht, war in diesem Fall sogar von Vorteil. „So haben wir mehr Zeit, um auf Mayas Bedürfnisse einzugehen.“
Beraten wurden sie und ihr Kollege dabei von André Lutz Overrath, Fachberater für Inklusion bei der IHK Düsseldorf. „Für mich sind Maya und die Deutsche Oper am Rhein ein wunderbares Beispiel dafür, wie es gelingen kann, einem Menschen trotz Handicap eine berufliche Zukunft zu ermöglichen. Maya hat Mumm in den Knochen, das imponiert mir. Ich werde weiterhin alles tun, um ihrem Arbeitgeber und ihr zur helfen, die Ausbildung erfolgreich zu beenden. Man könnte versuchen, persönliche Hilfe zu beantragen, die zum Beispiel die Fahrten zur Arbeit übernimmt.“ Zurzeit wohnt Maya Bongard noch bei ihren Eltern in Meerbusch, würde aber gern in naher Zukunft mit ihrem Freund nach Düsseldorf ziehen. „Für mich wäre das ein weiterer wichtiger Schritt Richtung Selbstständigkeit“, sagt sie.
Denn obwohl sie mit großer Begeisterung von ihrer Arbeit erzählt und auf den ersten Blick wie eine glückliche junge Frau wirkt, schränkt sie die Narkolepsie und die damit verbundenen Kataplexien deutlich ein. Kataplexien sind häufige Begleiterscheinungen der Erkrankung und führen zum kurzzeitigen Verlust von Muskelspannung in Folge von starken Emotionen wie Freude oder Lachen, aber auch Ärger oder Angst. „Ich merke dann, wie mir Dinge aus der Hand fallen oder die Beine wegsacken. Deshalb darf ich bei der Arbeit auch keinen Kettensägenschein machen, der eigentlich dazu gehört.“
„Ich freue mich jeden Morgen darauf, zur Arbeit zu kommen“
Maya Bongard, Auszubildende bei der Deutschen Oper am Rhein
Auch seelisch wirkt sich die ständige Abgeschlagenheit aus, viele Menschen mit Narkolepsie entwickeln zusätzlich eine Depression. Auch bei Maya Bongard war das der Fall, die wegen der Schlafkrankheit die Schule nach der elften Klasse abbrechen musste. „Ich gehe in eine Selbsthilfegruppe, haben einen guten Spezialisten gefunden und bekomme Medikamente. All das hilft mir, mit der Krankheit zurecht zu kommen.“
Die größte Entlastung für sie ist aber die Arbeit im Produktionszentrum der Deutschen Oper am Rhein. „Ich hatte lange große Angst davor, nie selbstständig leben zu können und immer von anderen abhängig zu sein. Diese Angst hat mir diese Ausbildung genommen, und dafür bin ich unendlich dankbar. Ich freue mich jeden Morgen darauf, zur Arbeit zu kommen.“ Das kreative, handwerkliche Schaffen hat zudem einen fast schon heilenden Effekt. „Ich liebe, was ich hier tue. Und das hält mich wach.“
Inklusion ist im Online-Magazin der IHK Düsseldorf immer wieder ein Thema. Eine Reihe von Beiträgen zeigt, dass die Ausbildung und die Integration von Menschen mit Handicap auch für die Unternehmen viele Vorteile bietet. Unternehmen, die sich dafür interessieren, können sich bei der IHK an André Lutz Overrath wenden.
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