Text: Gesa van der Meyden, Foto: Andreas Endermann
Beim bundesweiten Aktionstag Schichtwechsel – Neue Perspektiven für mehr Teilhabe, an dem Menschen mit und ohne Behinderung für einen Tag den Job tauschen, arbeitete der IHK-Fachberater für Inklusion, André Lutz Overrath, in einer Werkstatt für angepasste Arbeit. Wenige Tage später folgte der Gegenbesuch seines dortigen „Schichtwechsel“-Kollegen Robin Joshua Kemper in der IHK Düsseldorf.
Ein anspruchsvoller Job
Wenn Robin Joshua Kemper an der Drehmaschine steht, ist er hochkonzentriert. Von dem geschäftigen Treiben um ihn herum in der Werkstatt für angepasste Arbeit an der Marienburger Straße in Düsseldorf bekommt der 26-Jährige wenig mit. Er ist schnell, effizient und fleißig. „Ich mag die Arbeit hier“, sagt der junge Mann aus Düsseldorf, der seit der Geburt geistig und motorisch leicht eingeschränkt ist. „Da ich Springer bin und an verschiedenen Stellen arbeite, habe ich viel Abwechslung.“
Besonders abwechslungsreich war sein Arbeitstag Mitte Oktober, als André Lutz Overrath, Fachberater für Inklusion bei der IHK Düsseldorf, im Rahmen der Aktion „Schichtwechsel – Neue Perspektiven für mehr Teilhabe“ einen Tag unter seiner Anleitung in der Werkstatt arbeitete. Los ging es erst einmal mit einer Runde Tischtennis zum Aufwärmen, dann setzte sich Overrath, der Unternehmen in allen Fragen rund um die Ausbildung, Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen berät und dessen offizieller Titel „Einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber EAA“ lautet, an die Maschine. „Er war gut, aber nicht besser als ich. Von daher war alles ok“, sagt Robin Joshua Kemper und lacht.
„Er wäre auch für den ersten Arbeitsmarkt eine Bereicherung“
André Lutz Overrath, Fachberater für Inklusion bei der IHK Düsseldorf
Nach seinem Hauptschulabschluss hat er verschiedene Praktika gemacht, arbeitete unter anderem acht Monate lang in einem Baumarkt. Übernommen wurde er nicht. „Leider sind die Hürden für Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt immer noch hoch“, sagt André Lutz Overrath, dessen Schwägerin ebenfalls in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung tätig ist. Noch immer sähen viele potenzielle Arbeitgeber vor allem die Herausforderungen, nicht aber die Chancen. „Für die Herausforderungen, etwa den eventuell nötigen Umbau eines Arbeitsplatzes, gibt es viele staatliche Fördermöglichkeiten, über die ich die Unternehmen gern aufkläre und sie bei den Anträgen unterstütze“, sagt Overrath.
Die Chancen seien immens. „Menschen mit Behinderung sind fleißig und hochmotiviert. Es macht sie glücklich, wenn sie einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen können. Robin hat mir die Maschine super erklärt. Er wäre auch für den ersten Arbeitsmarkt eine Bereicherung“, sagt der Fachberater. Jens Wiegel (53), der Robin Joshua Kemper in der Werkstatt als Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung unterstützt und eine Art „Schichtleiter“ ist, sieht das genauso. „Robin hat eine sehr hohe Auffassungsgabe. Er kann die Maschinen hier aus dem Effeff bedienen. Das gilt nicht unbedingt für alle auf dem ersten Arbeitsmarkt. Gerade angesichts des Fachkräftemangels und demographischen Wandels wäre es wichtig, dass die Arbeitgeber hier offener werden.“
„Anderssein ist nichts, wovor wir Angst haben müssen“
Beim Gegenbesuch bei der IHK Düsseldorf im Zusammenhang mit dem Aktionstag Schichtwechsel wenige Tage später bewies Robin Joshua Kemper erneut, dass er sich gut in neuen Situationen zurechtfinden kann. In der für ihn fremden Umgebung legt er seine anfängliche Schüchternheit schnell ab und kam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus André Lutz Overraths Abteilung ins Gespräch. Der Fachberater erklärte ihm seine Arbeit und nahm ihn mit zu einer Kollegin, die eine Abendveranstaltung zum Thema Selbständigkeit vorbereitete. Dabei stellte er viele Fragen, zeigte sich offen und neugierig.
Nach einer Video-Konferenz der „Einheitlichen Ansprechstelle für Arbeitgeber EAA“ und einem Mittagessen in den Schadow Arkaden um die Ecke in der Düsseldorfer Innenstadt ging es in den Außendienst. Die beiden machten einen Betriebsbesuch bei der Firma „Marco Jost Taxibetrieb“, die ebenfalls Menschen mit Handicap beschäftigt. „Der Tag hat viel Spaß gemacht. Ich kann gar nicht sagen, was mir am besten gefallen hat. Alles war spannend“, sagte Robin Joshua Kemper.
Aktionstag Schichtwechsel ein Erfolg
Auch für André Lutz Overrath war der diesjährige Aktionstag Schichtwechsel erneut eine Bestätigung dafür, wie wertvoll dieser Perspektivwechsel ist und dass es sich lohnt, Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber immer wieder auf das zu oft übersehene Potenzial junger Menschen wie Robin Joshua Kemper hinzuweisen. „Ich kämpfe seit Jahren an allen Fronten, um Ängste abzubauen, und würde mir wünschen, dass die Kinder schon in den Schulen lernen, dass Anderssein nichts ist, wovor sie Angst haben müssen. Im Gegenteil, es bereichert unsere Gesellschaft, und das hat Robin eindrucksvoll bewiesen.“
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