Text: Klaus Methfessel, Fotos: Andreas Endermann
Hundert Jahre beschränkt sich Leistenschneider auf Kunden in Düsseldorf, ist in der Landeshauptstadt sogar mit drei Geschäften vertreten. Aber dann, nach der Jahrtausendwende, ändert der Inhaber die Strategie. Stößt zwei der drei Düsseldorfer Filialen ab und expandiert stattdessen schrittweise in fünf andere deutsche Großstädte: Zuerst nach Krefeld, dann kommt Berlin mit gleich zwei Geschäften, es folgen Duisburg, Frankfurt und, im Mai dieses Jahres, rechtzeitig zum 125-jährigen Firmenjubiläum, Köln.
Geschäftsführer Andreas Leistenschneider sieht die Gründe für diesen Kurs nüchtern. Zum einen ließen sich so Kosten sparen durch Economies of Scale etwa bei der EDV, sagt der Diplom-Kaufmann, zum anderen lasse sich dadurch der Umsatz steigern. Leistenschneider musste aber auch auf Marktveränderungen und technische Innovationen infolge der Digitalisierung reagieren. „Früher bestand das Sortiment vor allem aus Kameras im mittleren Preissegment. Gelebt hat der Fotofachhandel jedoch vor allem vom Geschäft mit den Fotoarbeiten, also dem Verkauf von Filmen, der Entwicklung und den Abzügen.“
Vom Druckbleistift zum Fotofachhandel
Dieses Konzept hat Leistenschneider erfolgreich hundert Jahre getragen. 1898 als Fotodrogerie gegründet, übernimmt August Leistenschneider 1918 das Geschäft. Das nötige Kapital dafür hatte der begabte Tüftler durch den Verkauf eines Druckbleistift-Patents, dem Vorläufer des Druckkugelschreibers. August baute das Geschäft zum Fotofachhandel aus. So überlebte die Firma Inflation und politische Wirren der Weimarer Zeit und den Zweiten Weltkrieg. Der damals noch in der Schadowstraße befindliche Laden überstand so ziemlich als einziger Bau unbeschadet die alliierten Luftangriffe auf das Stadtzentrum, da das Haus in Stahlbetonbauweise errichtet war.
Lange geschützt durch die Preisbindung der Kamerahersteller, die erst 1974 fiel, und angetrieben von der zunehmenden Fotoleidenschaft der Deutschen führte die zweite und dritte Generation Leistenschneider das Geschäft erfolgreich durch die Zeit des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders.
Doch dann wurden die Zeiten schwierig für den Fotofachhandel. Im Vertrieb machten ihm preisaggressive Elektrodiscounter und Warenhäuser zu schaffen, dazu raubten ihm bei den lukrativen Fotoarbeiten Drogeriemärkte und große Fotolaborbetriebe Marktanteile. Schließlich brach dieses Geschäft ein, weil die Konsumenten sich zunehmend darauf beschränken, ihre Smartphone-Fotos am Bildschirm zu betrachten. Viele Geschäfte gaben deshalb auf.
Filme sind wieder gefragt
Die Reaktion von Andreas Leistenschneider, der seit 1993 das Geschäft führt: Ein Vollsortiment mit starken Marken und hochwertigen Kameras inklusive Zubehör in Verbindung mit erstklassiger Beratung. Denn bei Preisen von mehreren tausend Euros für eine gute Kamera wollen die Kunden das Produkt nicht online bestellen und per Post geliefert bekommen. Leistenschneider: „Die heutigen Fotosysteme sind sehr anspruchsvoll. Die Kunden verlangen individuelle Beratung durch kompetente Verkäufer und wollen die Kamera vor der Kaufentscheidung in den eigenen Händen halten und ausprobieren.“ Damit und der Bestpreis-Garantie gegenüber Amazon kommt Leistenschneider gar nicht erst in die missliche Lage, dass Kunden sich von ihm beraten lassen und dann doch günstiger bei dem Internetgiganten bestellen.
Leistenschneider sieht als Erfolgsgaranten für die 125 erfolgreichen Jahre auch das Gespür für neue Trends: „Wir waren schon bei den ersten Digitalkameras dabei.“ Jetzt beobachtet er bei vielen Kunden einen Retrotrend: zurück zum analogen Fotografieren. „Die Kunden kaufen wieder viele Filme, die Fotos lassen sie dann aber digitalisieren.“
Leistenschneider ist ein Familienunternehmen mit Tradition
Für die Zukunft sieht sich Leistenschneider gut gerüstet. Kürzlich ist mit Sohn Lukas und Tochter Lisa, die beide Betriebswirtschaft studiert haben, die fünfte Generation der Familie ins Unternehmen eingetreten. Das Erscheinungsbild der Läden, der Onlineshop und das Firmenlogo wurden modernisiert. „Heute generieren wir schon 30 Prozent des Umsatzes online“, erzählt Andreas Leistenschneider. „Die Coronapandemie, als der Laden monatelang geschlossen war, hat das enorm beschleunigt.“ Heute hat Leistenschneider insgesamt etwa 70 Beschäftigte. In diesem Jahr wurden alle fünf Ausbildungsplätze zum Fotomedienfachmann/-frau qualifiziert besetzt. Die dreijährige Ausbildung vermittelt kaufmännische und fotografische Kompetenzen, damit der Nachwuchs die Kunden fachgerecht beraten kann. Der Clou der Ausbildung: Die Auszubildenden besuchen vier Monate eine Fotofachschule in Kiel, um das Fotografieren zu lernen. „Das kann die Berufschule nicht leisten“, sagt Andreas Leistenschneider. Er weiß, wovon er spricht, er hat diese Schule selbst vor 35 Jahren besucht.
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